MAD MEN – mein erstes positives Beispiel

Nachdem ich zur Genüge über eine deutsche Serie gejammert habe, ist in mir das Bedürfnis nach einem positiven Beispiel aufgekeimt. Während eines Drehbuchkurses, den ich kürzlich abgehalten habe, ist mir aufgefallen, dass die Kursteilnehmer vorgestellte dramaturgische Modelle vor allem anhand positiver Beispiele begreifen konnten. Ja, in der Reflexion darüber, von welchen Positionen aus ich kritisiere, ist mir aufgefallen, dass meine Wertvorstellungen über Jahrzehnte hin von gut geschriebenen Theaterstücken und Drehbüchern geprägt worden sind. Meine Angewohnheit, Texte, die mich nicht interessieren, recht schnell beiseite zu legen beziehungsweise Filme und Serien, die schlecht geschrieben und/oder gespielt sind, nach wenigen Minuten nicht mehr weiter anzuschauen, scheint in meinem Gehirn die Mustererkennung für gute Qualität verbessert zu haben. Aus dieser Erfahrung heraus rate ich jedem angehenden Künstler an, das Gleiche zu tun. Natürlich lässt sich sowohl aus den Fehlern anderer und vor allem auch aus eigenen Fehlern eine Menge lernen – der Geschmack jedoch (ein anderes Wort für Mustererkennung guter Qualität) wird durch Vorbilder und nicht durch abschreckende Beispiele gebildet.

Ich habe mir also nach vielen Jahren noch einmal den Piloten der Serie MAD MAN angeschaut. Für heute beschränke ich mich auf die Eröffnung. Wir sehen den Protagonisten, Don Draper, in einer Bar. Er wirkt angespannt, scheint zu arbeiten und beginnt das Gespräch mit einem Kellner über das Rauchen und verschiedene Zigarettenmarken. Es wird deutlich, dass er dringend herausfinden möchte, was potenzielle Kunden dazu bewegen könnte, eine bestimmte Marke zu rauchen. Dabei scheint er nach jedem Strohhalm zu greifen, so, als wäre der Druck auf ihn ein erheblicher. In dieser Szene erhalte ich die Informationen durch szenische Handlung. Er will etwas erreichen, eine zündende Werbeidee. Und aus seinem Verhalten wird uns klar, dass er sein Ziel in dieser Szene nicht erreicht hat. Verständlich also, dass er eine Geliebte aufsucht, bei der er mit ganz anderer Offenheit über seine Sorgen sprechen kann. Über den Interessenkonflikt: er will mütterliche Führung, sie unverbindlichen Sex, entsteht ein natürlicher Dialog, aus dem deutlich wird, dass er eine Menge zu verlieren hat, wenn ihm nichts Gescheites einfällt – seine dominante Position in einer Werbefirma. Das verzweifelte Ringen des Protagonisten um die Erreichung seines Ziels (eine Verkaufsidee, mit der er selbstbewusst in ein Kundengespräch gehen kann) lässt uns an seiner Geschichte teilhaben. Dass er dabei sympathisch wirkt, hilft natürlich unserer Anteilnahme. Wir sehen zu Beginn, wie kameradschaftlich er sich mit einem schwarzen Kellner unterhält und erfahren erst am Ende des Piloten, dass er eigentlich verheiratet ist. Einige seiner düsteren Seiten lernen wir im Verlauf des Piloten noch kennen. Zu diesem Zeitpunkt jedoch haben wir uns schon auf ihn eingelassen, so dass die Schattenseiten des Charakters die Figur für uns interessant werden lassen statt uns abzustoßen.

Wir lernen aus dieser Eröffnung:

  • dass sich Dialoge natürlich ergeben, wenn eine Figur mit ihnen ein bestimmtes Ziel verfolgt.
  • dass es spannender ist, wenn die Erreichung des Ziels auf Schwierigkeiten stößt.
  • dass wir mehr Anteil an Figuren nehmen, an deren Streben und Kämpfen wir teilhaben.
  • dass es wichtig ist, Begebenheiten so zu verknüpfen, dass in unserem Kopf eine Geschichte entstehen kann.
  • dass das Timing für die Exposition problematischer Seiten einer Figur essentiell ist, damit die uns interessiert und nicht abstößt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert