Dass sich mit einem Einstiegspreis von 329 € für eine moderne VR-Brille das Phänomen Virtual Reality nun endgültig im Mainstream durchsetzen wird, halte ich für einen verfrühten Optimismus. Der schlechte Tragekomfort mitgelieferter Kopfbänder ist derart, dass man sich in zusätzliche Unkosten stürzen muss, um das Headset über längere Zeit tolerieren zu können – und selbst mit diesen finde ich die Erfahrung bisher nicht optimal. Zum Zweiten ist die Anstrengung für die Augen beachtlich. Das liegt natürlich auch an der geringeren Auflösung billigerer Produkte, wurde allerdings schon von einigen Testern der Apple Vision Pro beschrieben, deren hohe Auflösung die aktuelle Spitze der Leistungsfähigkeit darstellt. Ich glaube, dass die Wahrnehmung der Welt durch einen Bildschirm (der eben bei aller Raffinesse keine echte Natürlichkeit erzeugt) unseren Augen keine Erholung im Analogen bietet. Ein Computerbildschirm lässt uns diese Freiheit – die VR-Brille nicht.
Da wir gerade beim Thema Bildschirmerlebnisse sind und ich vermute, dass sich einige meiner Leser bisher noch nicht intensiv mit dem Thema beschäftigt haben, hier eine kurze Begriffsklärung:
Virtual Reality (VR)
Ich tauche mit meiner Brille in eine komplett andere Welt ein und bekomme, von der Akustik abgesehen, von meiner Umwelt nichts mehr mit. Es ist der höchste Grad der Immersion und vor allem dann faszinierend, wenn ich in dieser Welt meine eigenen Hände so verändert sehe, dass sie ins Bild passen.
Mixed Reality (MR)
Diese wird auch als Augmented Reality (AR) bezeichnet und mixt Bilder aus meiner aktuellen Umwelt mit der VR. Diese Umwelt wird durch Kameras aufgenommen und an die Bildschirme meiner VR-Brille weitergeleitet. So kann ich in meiner Wohnung dreidimensionale Objekte sehen, die Teil einer virtuellen Welt sind. Besonders hilfreich ist dies, wenn ich auf meinem Laptop etwas schreiben möchte. Ich kann hier einen riesigen Bildschirm so platzieren, dass er mein originales Display verdeckt und nur die Tastatur sichtbar lässt.
Nun aber zu meinen ersten Erfahrungen:
Als ich das Headset zum ersten Mal benutzte, hielt ich es eine Stunde aus. Danach hatte ich nicht nur Kopfschmerzen, sondern auch motion sickness – auch als Kinetose bekannt. Den ganzen Tag war ich danach wirklich neben der Spur und hatte Schwierigkeiten, mich auf Gespräche und eine Autofahrt zu konzentrieren. Da ich aber erfahren hatte, dass diese unangenehme Wirkung bei allmählicher Gewöhnung nachlässt, probierte ich es an den folgenden Tagen weiter Und richtig – die Nebenwirkungen ließen nach.
Am zweiten Tag machte ich die Entdeckung, dass sich nach längerem Aufenthalt in VR und MR andere Bildschirme – wie zum Beispiel der meines Smartphones so anfühlten, als wären sie auch Teil einer virtuellen Realität.
Weil aber der Aufenthalt in der VR einen nicht zu leugnenden Suchteffekt hat, steigerte ich meine Aktivitäten vorübergehend. Vor allem Kino- und Meditationserlebnisse hatten es mir angetan. Diese faszinierten mich so, dass ich kaum davon lassen konnte.
Allerdings – spätestens beim Einkaufen merkte ich eine regelrechte Gier nach der normalen Realität und konnte gar nicht genug davon kriegen. Frische Luft und analoge Umgebung wurden mir als Wert für mein Wohlbefinden dadurch richtig bewusst. Etwa zeitgleich sah ich den Bericht einer YouTuberin,die eine Apple Vision Pro 3 Tage lang durchgehend getragen hatte und die danach deutlich depressive Symptome aufwies. Das Leiden an der Künstlichkeit lässt sich also auch nicht durch Apples technische Meisterleistung beheben.
Es ist dies nach einer reichlichen Woche Benutzung noch lange kein Fazit – jedoch bin ich ein wenig hin- und hergerissen. Auf der einen Seite sind meine Entdeckungen in der virtuellen Welt aufregend, auf der anderen Seite spüre ich eine gewisse Übersättigung und setzte mein Headset inzwischen wieder seltener auf.