Andreas Poppe

Dramaturg, Regisseur, Schauspielpädagoge

Dramaturgen sind bei Künstlern wenig populär.

Kürzlich arbeitete ich mit einem Beleuchter zusammen, mit dem ich vor Jahrzehnten ein gemeinsames Engagement geteilt hatte. Es war damals ein sehr großes Theater, Dramaturgen und Beleuchter haben selten direkten beruflichen Kontakt, so dass wir uns nicht aneinander erinnern konnten. Als ich ihm sagte, ich sei damals Dramaturg gewesen, bemerkte ich eine gewisse Verachtung in seiner Haltung. Nach zwei Tagen Kontakt freundeten wir uns miteinander an und schätzten uns auch gegenseitig. Bis dahin jedoch bekam ich einige verächtliche Bemerkungen über meinen Berufsstand zu hören.

Jetzt gehört ein Beleuchter nicht zum künstlerischen Personal des Theaters, beobachtet aber von außen die Arbeitsprozesse und bemerkt Vorurteile, die bestimmte Berufsgruppen übereinander haben. Wäre der Dramaturg von allen geschätzt, hätte sich dies sicher bis zum technischen Bereich herumgesprochen.

Neulich unterhielt ich mich mit einem befreundeten Schauspielpädagogen über bestimmte schauspielmethodische Begriffe. Bei einigen merkte ich an, dass sie eigentlich notwendiges dramaturgisches Wissen für Schauspieler wären. Ich meinte dies ebenso, wie die Verslehre notwendiges literaturwissenschaftliches Verständnis für Schauspieler wäre. Als ich das Wort „dramaturgisch“ aussprach, zuckte mein Gegenüber merklich zusammen, als hätte ich den leibhaftigen Satan erwähnt.

Dramaturgen sind bei Künstlern wirklich nicht populär.

Um zu verstehen, warum das so ist, möchte ich meine geneigten Leser mit dem ersten Teil eines Witzes vertraut machen, denn ich oft höre, wenn ich Schauspielern als Dramaturg vorgestellt werde:

Ein Schauspieler hat sonntags keine Probe und möchte den Tag mit einem Abenteuer feiern. Ein Heißluftballon trägt ihn in die Lüfte, wo er mit den schönsten Naturerlebnissen belohnt wird. Plötzlich zeigt ihm ein Blick auf die Uhr, dass es Zeit ist zurückzufliegen, wenn er pünktlich zur abendlichen Vorstellung im Theater sein möchte. Leider aber hat er die Orientierung verloren und weiß nicht mehr, wo er sich befindet. Zum Glück entdeckt er einen Spaziergänger unter sich und fragt: „Können Sie mir sagen wo ich bin?“ Der Spaziergänger denkt nach und antwortet: „Etwa 30 Meter über dem Erdboden.“ Der Schauspieler erwidert frustriert: „Das ist sachlich richtig und hilft mir überhaupt nicht weiter – Sind Sie Dramaturg?“

Ja, unsere künstlerischen Kollegen haben den Eindruck, dass wir Dramaturgen uns mit Dingen beschäftigen, die dem kreativen Prozess nicht förderlich und im schlimmsten Falle sogar hinderlich sind. Der Spaziergänger im Witz beantwortet zwar die Frage korrekt, beachtet allerdings nicht das Bedürfnis, welches dahinter steckt. Er kann sozusagen nicht die Perspektive des Fragenden einnehmen. Stattdessen antwortet er – im zweiten Teil des Witzes:

„Der Mann hat keine Orientierung, ist zu blöd, eindeutige Fragen zu stellen und hat die große Klappe – Sind Sie Schauspieler?“

Und so sind beide außerstande miteinander zu reden und hegen einen verbissenen Groll gegeneinander. Der Eine wird weiterhin orientierungslos durch die Welt fliegen und die Schuld bei einem Spaziergänger suchen, der seine Gedanken nicht lesen kann. Der Andere wird selbst zwar nicht fliegen können, sich dafür aber geistig überlegen fühlen, dabei hoffend, auf einen Künstler zu treffen, der in der Lage ist, die richtigen Fragen zu stellen. Auf diese Weise sind der analytische Geist und die fliegende kreative Seele auf ewig getrennt.

Mit meinem Blog suche ich nach Wegen, diese Kluft zu überbrücken.